Gesellschaft Schweiz-Palästina

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Massenmord in Gaza rechtfertigen

Wird periodisch ergänzt

 

Stand 30. März 2024 (wird periodisch ergänzt)

 

  1. «Der Krieg begann mit dem Terrorangriff der Hamas am 7.10.2023»

  • Nein, für die palästinensische Bevölkerung begann der Krieg im XIX. Jahrhundert mit der zionistischen Bewegung und ihrem Spruch «Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land». Der eine Teil der Bewegung nahm die Einheimischen nicht zur Kenntnis, der andere Teil wollte Palästina von Einheimischen «säubern».
  • Die Balfour-Deklaration der Kolonialmacht Grossbritannien ermöglichte es ab 1917 immer mehr zionistischen Migranten, auf Kosten der Einheimischen in Palästina einzuwandern. Die Shoah in Europa beschleunigte diese Entwicklung entscheidend.
  • In der Nakba von 1947-49 vertrieb der militärische Arm der etwa 600'000 jüdischen Einwanderer 700’000-800'000 Palästinenser.
  • 1967 besetzte Israel die Westbank, Ostjerusalem, Gaza und die syrische Golan-Hochebene. Das israelische Militär und bewaffnete zionistische Zivilisten begannen, Siedlungen auf Kosten der Einheimischen einzurichten und diese aus Grossstädten zu vertreiben.
  • 2006 ersetzte Israel nach 40 Jahren die Besetzung Gazas durch eine bewaffnete Belagerung und schuf durch die Blockade unmenschliche Lebensbedingungen. Gaza wurde mit Hilfe Ägyptens zu einem belagerten Armenhaus ohne Zukunft für Millionen. Bei freien Wahlen gewann die autoritär-nationalistische Hamas die Wahlen und versuchte - nun auch mit militärischen Mitteln - das Ende der Belagerung zu erzwingen.
  • Die USA und die EU erklärten – bisher im Gegensatz zur Schweiz - die Hamas zu einer Terrororganisation. So wurden offizielle Beziehungen zu einer 2005 durch Wahlen legitimierten Behörde illegal und der Gazastreifen weiter isoliert.
  1. «Am 7.10.23 hat Hamas 1’200 israelische Zivilisten getötet und zivile Geiseln verschleppt»

  • Laut offiziellen Zahlen aus Israel sind am 7.-8.10.2023 1'139 Menschen getötet worden. Darunter waren 330 Soldaten, 60 Polizisten und eine bisher unbekannte Anzahl von bewaffnetem israelischem Wachpersonal und Zivilisten.
  • Bereits am 7.10.2023 vormittags intervenierte die israelische Armee mit Panzern und Apache Kampfhelikoptern. Unterschiedslos wurde auf Zivilisten und Hamas-Kämpfer geschossen getreu der «Hannibal-Doktrin, gemäss derer mit allen Mitteln Geisel- und Gefangennahmen zu verhindern seien .
    Interviews mit beteiligten Soldaten von Panzerbesatzungen, Videos und Fotos belegen, dass vor allem in den Kibbuzim Be’eri und Nir Oz Häuser zerstört und dabei eine grosse Anzahl Zivilisten im Innern getötet wurden. «Hellfire»-Raketen aus Apache-Helikoptern trafen ca. 70 Autos samt ihren Insassen (vermutlich mehrere Hundert Zivilisten).

www.aa.com.tr/en/middle-east/-role-of-israeli-tanks-in-deaths-of-israeli-civiluans-back-in-spotlight/3074668

  • Ja, die Verschleppung von zivilen Geiseln ist eine terroristische Tat und ein Verbrechen. Der militärische Arm der Hamas verfolgte vermutlich das Ziel, die legitimen Ansprüche des palästinensischen Volkes zurück auf die Agenda der Nahostpolitik zu bringen. Sie nahm wohl an, Israel zwingen zu können, palästinensische Geiseln in Israel freizulassen und die Blockade Gazas aufzuheben.
  1. «Hamas hat Babys geköpft und Massenvergewaltigungen begangen»

Die Berichte zu den Babys haben sich nachweislich als falsch erwiesen. CNN dementierte wörtlich: «an administration official told CNN neither Biden nor the administration had seen pictures or confirmed reports of children or infants beheaded by Hamas”. Susanne Brunner (SRF-Nahostkorrespondentin) dementierte im Tagesgespräch von SRF1 vom 11. Januar 2024 dieses Gerücht explizit. Ein Teil der Falschinformationen ist auf israelische Freiwilligenorganisationen zurückzuführen, allen voran ZAKA, die ab dem 7. Oktober im Einsatz waren, und im Streben nach medialer Aufmerksamkeit und letztlich Spenden frei erfundene Horrorgeschichten verbreiteten.

  • Auffällig ist, dass die Vorwürfe der sexuellen Übergriffe lange nach den Ereignissen vom 7. Oktober auftauchten. Die israelische Polizei hat erst Ende November Zeugenaufrufe über Vergewaltigungen erlassen. In der Folge erschienen plötzlich bereits bekannte Berichte, ergänzt um das Thema «Massenvergewaltigungen». Westliche Medien zitierten ungeprüft aus den ergänzten Berichten, ohne selber zu recherchieren. Die Familien von Opfern und selbst der Sprecher des Kibbutz Be'eri (The Intercept, 4.3.2024) haben von der New York Times gelieferte «Beweise» als unwahr bezeichnet. Obwohl umfangreiches Videomaterial vom 7. Oktober existiert (inkl. von Bodycams von Hamas-Kämpfern), gibt es bisher weder Videobeweise noch forensische Beweise zu sexueller Gewalt. Allerdings gibt es eine weibliche Geisel, die berichtet hat, dass sie im Verlauf ihrer Geiselhaft ab dem 7. Oktober Opfer sexueller Übergriffe geworden ist. Insgesamt lässt sich der systematische und weit verbreitete Einsatz sexueller Gewalt, wie er von einigen Medien kolportiert wurde, aber nicht belegen. Auch die NZZ vom 16.3.2024, S.4/5 kommt zu diesem Schluss, obwohl der Einführungssatz unter der Überschrift das Gegenteil aussagt (sic!). Verschiedene renommierte Journalisten wie Max Blumenthal, Ali Abunimah, David Sheen und Pulitzer-Preisträger Glenn Greenwald (Publizist Edward Snowdens) haben die Vorgänge ausführlich dokumentiert:

Max Blumenthal 30.1.2024 auf Youtube (E)

Ergebnisse der Recherche zu den Vergewaltigungsvorwürfen gegen Hamas

Diskussion über Israels Vorwurf der Massenvergewaltigungen E, 6.12.2023

Update zu den Vergewaltigungsvorwürfen mit Links in Video  Beschreibung E, 9.12.2023

CNN Report über die unzuverlässige Quellenlage zu den Vorwürfen der Massenvergewaltigungen

UN fordert Untersuchung zu sexuellen Übergriffen, 20.2.2024

Mondoweiss zu Anat Schwartz, Quelle der Vorwürfe über sexuelle Gewalt

Recherche über Anat Shwartz, die Urheberin der Vorwürfe über sexuelle Gewalt in NYT

Glenn Greenwald über die unbelegten Vorwürfe sexueller Verbrechen in der NYT

 

  1. «Israel hat ein Recht auf Selbstverteidigung»

  • Gemäss UNO-Resolution 194 von 1949 sollte Israel zuerst die Rückkehr der Flüchtlinge garantieren, bevor die definitiven Grenzen zwischen Israel und Palästina festgelegt werden. Die Resolution scheiterte am Widerstand Israels und wurde nie umgesetzt!
  • Gemäss UNO-Resolution 242 von 1967 ist Israel verpflichtet alle besetzten, annektierten und belagerten Gebiete zurückzugeben, und die Errichtung von jüdischen Siedlungen auf dem Boden von Rest-Palästina ist illegal. Auch diese Resolution wurde nie umgesetzt. Seit 1991 propagieren die USA, die EU und die Schweiz eine «Zwei-Staaten-Lösung». Sie haben aber Israel nie wirklich dafür unter Druck gesetzt. Stattdessen schuf Israel Fakten vor Ort, so dass diese Lösung nicht mehr realistisch ist. Alle wichtigen Regierungen der Welt überlassen Israel das Gesetz des Stärkeren und nehmen den Völkermord am palästinensischen Volk in Kauf.
  • Israel steht das Recht auf Selbstverteidigung gemäss UN-Charta nicht zu, da dieses nur im Falle eines Angriffs durch einen anderen Staat gilt. Israel verhält sich widersprüchlich, wenn es einerseits alles daran setzt, einen palästinensischen Staat zu verhindern, sich aber andererseits auf ein Recht beruft, das nur bei Angriffen durch einen anderen Staat greift. Unter internationalem Recht hätte Israel als Besatzungsmacht in erster Linie eigentlich Pflichten, z.B. die Bevölkerung der besetzten Gebiete mit Nahrungsmitteln und Medikamenten zu versorgen.
  • Wir erinnern daran, dass der Internationale Gerichtshof (IGH) im Januar festhielt, die Völkermord-Vorwürfe gegen Israel seien plausibel, und diese Beurteilung von vielen Fachleuten ohne Umschweife geteilt wird.
  • In diesem Interview begründet ein ehemaliger israelischer Geheimdienstchef Netanahus Motive für einen Krieg ohne Ende (E)
  • B'Tselem, die israelische Menschenrechtsorganisation, dokumentiert, was Israel unter Selbstverteidigung versteht: Stimmen aus Gaza.
  • Israelische Militärangehörige dokumentieren ihre Taten unverstellt und erinnern dabei an F. Coppolas «Apocalypse Now» Drama über den Vietnam-Krieg.
  • Das Magazin +972 beschreibt, warum die Kulturgüter Gazas von Israel systematisch zerbombt
  • Die Auswirkungen dieser Kriegsführung beschreibt der Intendant des berühmten Theaters Kasaba in Ramallah.

 

  1. « Der Spruch “From the River to the Sea, Palestine will be free” ist antisemitisch»

    Nein, denn der Slogan bedeutet, dass auf dem Gebiet des heutigen Israel/Palästina jede:r die gleichen zivilen Rechte haben muss. Wer das ablehnt, macht sich selbst mit Rassisten gemein, weil er ein ethno-religiöses System von Privilegien und Diskriminierung verteidigt. Zur Interpretation der Parole klicke auf From the River to the Sea...

  1. «Die UNRWA fördert den Hass gegen Israel, ihre Mitarbeiter waren am 7.10. am Angriff von Hamas beteiligt»

    Die Verleumdungen gegen die UNRWA wurden unzählige Male widerlegt, werden jedoch endlos wiederholt. Sie stammen direkt aus israelischer Propaganda und werden durch Politiker wie Zuberbühler (NR, SVP), Portmann (NR,FDP) oder Binder-Keller (SR,Mitte) kritiklos übernommen. Die angebliche Komplizenschaft von 13 Mitarbeitern (von insgesamt über 30'000, wovon ca. 13'000 in Gaza) mit Hamas wurde vom israelischen Aussenminister Katz verbreitet. Dazu fehlen die Belege. Möglicherweise stammen die « Aussagen» von gefolterten Hamas-Gefangenen in isr. Haft. Auffällig ist auch, dass die Verleumdungen nur einen Tag, nachdem der IGH den Völkermord-Vorwurf gegen Israel als plausibel eingestuft hatte, verbreitet wurden. Der Verdacht liegt nahe, dass nicht nur der UNRWA geschadet, sondern gleichzeitig auch vom IGH-Entscheid abgelenkt werden sollte.
    Die UNRWA ist ein wesentliches Instrument, um das Überleben des palästinensischen Volkes zu sichern. Das Ziel Israels ist es, die UNRWA abzuschaffen, um den Völkermord umsetzen zu können. Staaten, die aufgrund israelischer Anschuldigungen die Zahlungen aussetzen, machen sich mitschuldig am Völkermord.
    https://www.unrwa.org/unrwa-claims-versus-facts-february-2024

  1. «Hamas hat die Macht 2006 durch einen Putsch ergriffen»

    Hamas hat 2006 die Wahlen in der Westbank und Gaza gewonnen. In Jerusalem hat Israel die Wahlen massiv behindert. Dort wo die Wahlen stattfinden konnten, liefen sie gemäss Wahlbeobachter:innen aus aller Welt fair und gemäss internationalen Standards ab. Trotzdem weigerten sich die tonangebenden westlichen Staaten, das Resultat der von ihnen eingeforderten Wahlen zu respektieren. Daraufhin setzte Hamas den Wahlsieg gegen ihre politischen Gegner mit Waffengewalt durch.

  2. «Hamas hat eine antisemitische Charta und will keine Verhandlung mit Israel»

    Während die Hamas-Charta von 1988 antisemitische Elemente enthielt, stellt die überarbeitete Charta von 2017 klar: «Die Hamas bekräftigt, dass ihr Konflikt mit dem zionistischen Projekt und nicht mit den Juden aufgrund ihrer Religion besteht. Die Hamas kämpft nicht gegen die Juden, weil sie Juden sind, sondern sie kämpft gegen die Zionisten, die Palästina besetzen. Dennoch sind es die Zionisten, die das Judentum und die Juden ständig mit ihrem eigenen kolonialen Projekt und illegalen Gebilde identifizieren.» Betreffend Verhandlungen ist die neue Charta von 2017 unklar. Klar ist hingegen, dass Israel bis heute alle Verhandlungen über Kompromisse abgelehnt hat. Stattdessen geht die Vertreibung in allen besetzten, annektierten und belagerten Gebieten weiter. Erst gerade im Februar 2024 hat der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu wieder betont, dass es keinen Raum für einen palästinensischen Staat gebe.

  1. «Die Hamas missbraucht die Zivilbevölkerung als Schutzschilde»

Ähnliche Behauptungen seitens Israel gab es bereits in der Vergangenheit. Nach den bewaffneten Konflikten 2008-2009 sowie 2014 untersuchte Amnesty International diese Vorwürfe und kam zum Schluss, dass es keine Beweise für sie gab. Zu demselben Schluss kam auch Human Rights Watch in seiner Untersuchung zum 2008-2009 Konflikt. Umgekehrt wurde bereits mehrfach nachgewiesen und mittels Videos und Fotos dokumentiert, dass die israelische Armee palästinensische Gefangene als Schutzschilde missbraucht hat.

Die reine Anwesenheit von Hamas-Kämpfern in zivilem Gebiet begründet im Übrigen noch keinen „zivilen Schutzschild“. Sonst müsste konsequenterweise Israel auch ständig der Vorwurf gemacht werden, seine Bevölkerung als Schutzschild zu missbrauchen, befinden sich doch das Verteidigungsministerium wie auch der wichtigste „Kriegsraum“ der Armee im Herzen Tel Avivs.

  • Weltweite Schlagzeilen macht seit Monaten das weitverzweigte lange Tunnelsystem im Gazastreifen. Verbunden damit ist der Vorwurf an Hamas, diese unterirdische Infrastruktur zu militärischen Zwecken zu missbrauchen, insbesondere unter Spitälern. Israelisches Militär hat versucht, vor Vertreter:innen internationaler Medien bei «Tatortbegehungen» angebliche Kommandozentralen zu belegen. Den Besucher:innen schienen die Inszenierungen nur zu offensichtlich.

Im Übrigen erinnerte der ehemalige israelische Ministerpräsident Ehud Barak in einem Interview auf CNN im November 2023 die Welt daran, dass  Israel einen wichtigen Teil der Tunnels in den 40 Besatzungsjahren selber angelegt hat. Wegen der dichten Bebauung Gazas sei das gar nicht anders möglich gewesen: Ehud Barak im CNN Interview November 2023

« Die PA ist die Vertretung der Palästinenser »

Sie ist machtlos, weil sie vom finanziellen Goodwill der israelischen Behörden abhängig ist. Israel kann Steuer- und Zolleinnahmen nach Belieben zurückhalten. Razzien und Überfälle sind an der Tagesordnung. Alle Zugänge zu den selbstverwalteten Ortschaften kontrolliert Israel. Praktisch alle glaubwürdigen politischen Vertreter:innen der Palästinenser sind entweder im Gefängnis, im Exil oder im Untergrund. Die Palästinenser, und niemand anders, müssen ihre politischen Vertreter bestimmen

 

Intercept: Netanjahus Kampf gegen die Fakten (2. Feb. 2024, E)

Al-Jazeera: Detaillierter Ablauf 7.-9. Oktober 2023 (E)

Prof. Ilan Pappé: "Der 7. Oktober markiert das Ende des Zionismus", (E)