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Stellungnahme der GSP
Das israelische Parlament hat am 19. Juli 2018 ein neues Grundgesetz verabschiedet, das Israel als „Nationalstaat des Jüdischen Volkes“ definiert. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die Knesset sogenannte Grundgesetze erlässt, denen Verfassungsrang zugeschrieben wird. Sie entsprechen jedoch nicht den international üblichen Kriterien, welche als Anforderungen an eine Verfassung gestellt werden. So garantieren die Grundgesetze keine Rechtsgleichheit – das Kernelement einer demokratischen Verfassung. Zudem sollte in verfassungsgebenden Prozessen ein Konsens mit den Vertretern aller betroffenen ethnischen und nationalen Gruppen gesucht werden. Im Fall Israel trifft dies eindeutig nicht zu. Eine einfache parlamentarische Mehrheit beschliesst ein Grundgesetz, ohne Rücksicht auf Minderheiten, insbesondere die arabischen Staatsbürger.
Unter das Nationalstaatsgesetz fallen alle israelisch kontrollierten Territorien, insbesondere das Gebiet innerhalb der „Grünen Linie“, wo 20 Prozent der Bevölkerung palästinensisch (Bürger Israels) ist, als auch in den seit 1967 besetzten Gebieten, mit den von Israel annektierten Gebieten Jerusalems und der syrischen Golanhöhen.
Das neue jüdische Nationalstaatsgesetz beinhaltet, dass das „Land Israel“ das „historische Heimatland des jüdischen Volkes“ ist, in dem der Staat Israel errichtet wurde. In diesem Staat übt das „jüdische Volk“ sein Selbstbestimmungsrecht aus, das ihm allein zusteht. Unter „jüdischem Volk“ sind alle Juden der Welt gemeint, bei der Einwanderung erhalten sie automatisch die Staatsbürgerschaft und ihnen kommt die Souveränität im Staat Israel zu. Das Grundgesetz definiert die Symbole (Flagge, Hymne) des Staates, erwähnt aber keine Staatsgrenze. Die Hauptstadt ist das „vollständige vereinigte“ Jerusalem. Die Staatssprache ist Hebräisch, Arabisch hat lediglich einen „besonderen Status“. Alle Juden könnten einwandern. Die jüdische Besiedlung stelle einen „nationalen Wert“ dar und müsse gefördert werden.
Bereits bisher bestehen 65 Gesetze, welche die nicht-jüdische Bevölkerung Israels systematisch diskriminieren u.a. in den Bereichen Erziehung, Arbeit und Landnutzung. Neu gegenüber der bisherigen Praxis ist, dass das Grundgesetz die Diskriminierung der arabischen Bevölkerung zu einem verfassungsmässigen Auftrag an die Gesetzgebung und Regierungstätigkeit macht. Es verletzt das internationale Recht in Hinsicht auf den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz. Das humanitäre Völkerrecht (4. Genfer Konvention) verbietet die Annexion besetzter Gebiete und die Unterwerfung ihrer Bevölkerung und Unterstellung unter die Gesetze der Besatzungsmacht.
Das Nationalstaatsgesetz verneint das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes. Es verstösst gegen die-Charta der Vereinten Nationen und befestigt ein illegitimes koloniales Regime. Die Apartheid-Konvention erklärt eine derartige Praxis und Gesetzgebung als Verbrechen gegen die Menschheit. Gemäss Adalah, dem Rechtszentrum für arabische Minderheitsrechte in Israel, ist das Nationalstaatsgesetz illegitim, denn es etabliert ein koloniales Regime, das ausgesprochene Charakteristika von Apartheid trägt. In einem Apartheidregime kontrolliert eine dominierende ethnisch-nationale Gruppe eine einheimische nationale Gruppe, die auf dem gleichen Territorium lebt, durch rassistische Politiken und setzt in wesentlichen Lebensbereichen ihre ethnische Superiorität durch.
Dieselbe Grundhaltung zieht sich seit den Anfängen der zionistischen Kolonisierung Palästinas bis heute durch. Der Jüdische Nationalfonds, 1903 gegründet, setzte sich die „Erlösung des Landes“ zum Ziel und verbot die Veräusserung oder Verpachtung von Land, wenn es einmal in jüdischen Besitz gelangt ist. Heute besitzt der Jüdische Nationalfonds über 80 Prozent des Landes in Israel und hat einen gesetzlich geregelten Status und Auftrag. Sein Eigentum ist ausschliesslich der Nutzung durch die jüdische Bevölkerung vorbehalten. Der Jüdische Nationalfonds hat Zweige in Europa und der ganzen Welt. Er ist meist als „gemeinnützige“ Organisation anerkannt wie beispielsweise im Kanton Zürich. Er geniesst deshalb die Steuerbefreiung in der ganzen Schweiz, obwohl gemäss seinen Statuten exklusiv die Angehörigen einer einzigen ethnischen Gruppe die Nutzniesser sind.
Die Vereinigte Liste der arabischen Abgeordneten der Knesset hatte vor der Verabschiedung des Nationalstaatsgesetzes einen Gegenentwurf vorgelegt, welcher gleiche Rechte und einen demokratischen „Staat aller Bürger“, ohne ethnische Privilegien, vorschlägt. Die Motion wurde jedoch vom Präsidium der Knesset als staatsfeindlich eingestuft und deshalb nicht zur Abstimmung gebracht.
Das Nationalstaatsgesetz wurde von der Knesset im Verhältnis von 62 zu 55 Stimmen angenommen. Die meisten der Stimmen von Abgeordneten, ausser jenen der Vereinigten Liste, welche das Nationalstaatsgesetz ablehnten, waren dadurch motiviert, dass sie einen schweren Imageschaden für Israel abzuwenden versuchten. Die Niederlage des liberal-zionistischen Lagers führt dazu, dass Israel kaum mehr als „einzige Demokratie“ des Nahen Ostens vermarktet werden kann. Israel wird von jenen delegitimitiert, die das Nationalstaatsgesetz beschlossen haben und die israelische Apartheid zementieren.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem jüdischen Nationalstaatsgesetz?
Die Rechte des palästinensischen Volkes, sein Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf Rückkehr, existieren für Israel nicht. Aber sie sind unveräusserlich und unaufhebbar: Im Gegensatz zur Apartheid Israels beruhen sie auf dem Völkerrecht.