L'ASP vous remercie pour votre don >>> IBAN: CH80 0900 0000 1000 4334 2 Association Suisse-Palestine
Der Krieg vom 5. Juni 1967
Der palästinensische Jurist Henry Cattan hat die Hintergründe des 6-Tage-Kriegs aus geschichtlicher und völkerrechtlicher Sicht analysiert und 1976 (!) publiziert. *
Wir fassen die wichtigsten Punkte zusammen:
Am Morgen des 5. Juni 1967, um 7 Uhr 45, griffen israelische Bomber in zehnminütigen Abständen -Welle auf Welle – die ägyptischen Flugplätze an, zerstörten Flugzeuge am Boden und die Landebahnen. In weniger als drei Stunden wurde praktisch die gesamte ägyptische Luftwaffe am Boden zerstört. Eine halbe Stunde nach Beginn der Luftangriffe starteten israelische Bodentruppen ihre Offensive gegen die ägyptischen Stellungen in Gaza und im Sinai. Noch vor dem Mittag griff Israel jordanische und syrische Flugplätze an.
Israel präsentierte der Weltöffentlichkeit eine ganz andere Version des Geschehens. Der israelische UN-Vertreter in New York weckte den Präsidenten des Sicherheitsrates um 3 Uhr 10 Lokalzeit aus dem Schlaf und teilte ihm mit, ägyptische Land- und Luftstreitkräfte hätten Israel angegriffen und würden nun von israelischen Streitkräften zurückgeschlagen. 20 Minuten später teilte der ägyptische UN-Vertreter mit, Israel greife Gaza, den Sinai sowie Flugplätze in Kairo und am Suezkanal an. Am Morgen des 5. Juni trat der Sicherheitsrat zusammen. Der israelische Vertreter teilte mit, ägyptische Panzerkolonnen seien in Bewegung auf die israelische Grenze und ägyptische Artillerie und Flugzeuge würden israelische Dörfer bombardieren. Die meisten Radiosender und Zeitungen verbreiteten die gefälschte Geschichte einer ägyptischen Aggression und die ganze Welt sympathisierte mit dem angeblichen Opfer Israel. Am nächsten Tag wiederholte der israelische Aussenminister die Lügenstory vor dem Sicherheitsrat, um den Antrag auf Einberufung des Sicherheitsrats aufgrund von Artikel 51 (Recht auf Selbstverteidigung) der UN-Charta zu begründen und die israelische Aggression als Selbstverteidigung gegen ägyptische Angriffe umzudeuten – ein Schulbeispiel, wie UN-Gremien und die Weltöffentlichkeit von Israel manipuliert wurden.
Die Lüge vom ägyptischen Angriff und damit die Berufung auf Artikel 51 der UN-Charta waren jedoch nicht lange aufrechtzuhalten. Israel selbst veröffentlichte am 4. Juni 1972 den Regierungsbeschluss vom 4. Juni 1967 Ägypten, Syrien und Jordanien anzugreifen. Israel hatte schon vorher seine Taktik gewechselt: Es sei bedroht gewesen und habe deshalb präventiv angegriffen. Diese Behauptung stimmt jedoch weder mit den Fakten überein noch ist ein Präventivschlag durch die UN-Charta zu rechtfertigen.
Die Kette der Ereignisse, welche dem Krieg vom 5. Juni 1967 vorausgingen, begann mit einem schweren Zwischenfall am 7. April 1967 an der Waffenstillstandslinie von Israel und Syrien innerhalb der entmilitarisierten Zone. Israel hatte die syrischen Bauern schon früher aus der Zone vertrieben. Am 3. April 1967 verkündete die israelische Regierung in der Presse, dass diese Landwirtschaftsflächen mit gepanzerten Traktoren kultiviert werden sollten. Die syrischen Bauern sollten so enteignet werden. Dadurch verstiess Israel gegen das Waffenstillstandsabkommen. Der eingesetzte gepanzerte Traktor wurde von syrischer Seite mit leichten Waffen beschossen. Israel reagierte mit einem massiven Angriff von Artillerie, Panzern und Flugzeugen. Mehrere syrische Dörfer wurden bombardiert, israelische Jets überflogen das Gebiet von Damaskus und sechs syrische Flugzeuge wurden abgeschossen.
In der Folge dieses Zwischenfalls vom 7. April drohte Israel offen mit weiteren militärischen Aktionen gegen Syrien. Am 10. Mai 1967 äusserte der israelische Generalstabschef Rabin die Idee, Damaskus anzugreifen und die syrische Regierung „auszuwechseln“. Premierminister Eshkol sprach von drastischen Massnahmen gegenüber Syrien. Am 15. Mai veranstaltete Israel eine Militärparade in Jerusalem und verstiess damit gegen die UN-Resolutionen betreffend den Status von Jerusalem. Die israelischen Drohungen gegen Syrien verfehlten ihre Wirkung nicht. Es war absehbar, dass Ägypten in die von Israel heraufbeschworene Krise verwickelt werden sollte.
Syrien rief Ägypten unter dem gegenseitigen Verteidigungsabkommen zu Hilfe, das zwischen den beiden Staate in November 1966 abgeschlossen worden warn. Ägypten antwortete mit Truppenbewegungen nach Ismailia am Suezkanal. Am 16. Mai verlangte Ägypten den Rückzug der nach dem Suezkrieg von 1956 auf dem Sinai stationierten UNEF-Truppen. UN-Generalsekretär U Thant schlug vor, diese auf der israelischen Seite der Waffenstillstandslinie zu stationieren. Israel lehnte ab, denn das lief seinen Plänen zuwider. Nach dem Abzug der UNEF-Truppen ordnete Präsident Nasser am 22. Mai die Schliessung des Golfs von Aqaba für Schiffe mit für Israel bestimmtem Kriegsmaterial an. In seiner Rede betonte er, dass Ägypten kampfbereit sei, wenn Israel Syrien angreifen würde. Die Massnahmen Ägyptens waren darauf ausgerichtet, Israel von einem Angriff auf Syrien abzuhalten. Sie standen im Einklang mit der Ausübung der vollen Souveränität über das ägyptische Territorium.
Obschon ein Präventivkrieg nicht durch das Recht auf Selbstverteidigung zu begründen ist und somit als ein Angriffskrieg gilt, versuchen manche bis heute, die Schliessung der Strasse von Tiran im Golf von Aqaba für die israelische Schifffahrt als unvermeidlichen casus belli für Israel zu präsentieren, der ihm angeblich keine andere Wahl liess, als loszuschlagen. Der Schifffahrtsweg führt nahe (bis zu einer Meile) an die ägyptische Küste heran und untersteht ägyptischer Hoheit. Gemäss dem ägyptisch-israelischen Waffenstillstandsabkommen war ausdrücklich untersagt, dass sich Schiffe weniger als drei Meilen der Küste der Gegenpartei nähern. Zwischen den beiden Staaten bestand Kriegszustand. Freie Schifffahrt ist nur in Friedenszeiten möglich. Israel hatte keinen rechtlichen Anspruch, klammerte sich jedoch an eine politische Feststellung des amerikanischen Präsidenten Eisenhower vom 20. Februar 1957, dass es sich beim Golf von Aqaba um ein internationales Gewässer handle. Dieses verbale Zugeständnis fasste Israel als „Garantie der USA“ auf und leitete davon ab, die Blockade selber mit Gewalt zu brechen, falls die USA nicht dafür sorgten. Erst unter der Peitsche drohender US-Sanktionen hatte sich Israel nach dem Suezkrieg im März 1957 aus dem Sinai und aus Gaza zurückgezogen.
Selbst unter der Annahme, dass Israel ein Anrecht auf freie Schifffahrt im Golf von Aqaba zustand, wäre es nicht berechtigt gewesen, sein „Recht“ einseitig und durch Gewalt wiederherzustellen. Die Blockade des Golfs von Aqaba stellte keinen „bewaffneten Angriff“ dar, welcher einen Akt der Selbstverteidigung hätte rechtfertigen können.
Alle Argumente, welche Israel zur Rechtfertigung des Angriffs auf Ägypten, Syrien und Jordanien am 5. Juni 1967 vorbrachte, erwiesen sich als Vorwände ohne faktische und rechtliche Grundlage. Der Krieg, den Israel lostrat, war ein Aggressionskrieg unter Bruch seiner Waffenstillstandsabkommen mit Ägypten, Syrien und Jordanien sowie der UNO-Charta und des Völkerrechts.
Die Annexion von Jerusalem und des Golan und die Weigerung sich aus den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten zurückzuziehen, bestätigen hinlänglich, dass es sich wie 1948 und 1956 auch 1967 um einen Eroberungskrieg Israels handelte.
Peter Leuenberger
*) Henry Cattan, Palestine and International Law, The Legal Aspects of The Arab-Israeli Conflict, London/New York, Longman ELT; 2nd edition (October 4, 1976) S. 167-176