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Der israelische Kolonialismus muss die palästinensischen Kinder ins Visier nehmen
Maren Mantovani Mondoweiss, Aug. 21, 2023| Aufgefallen 28.8.23
Quelle: Targeting Palestinian children is necessary for Israeli settler colonialism
Palästinensische Kinder tragen die Leiche des 3-Jahre alten Mohammed Al-Tamimi, der am 6. Juni 2023 im Dorf Nabi Saleh in der besetzten Westbank von israelischen Soldaten erschossen wurde. (Photo: Ahmad Arouri/Apa Images)
Der folgende Text ist Teil 1 eines zweiteiligen Artikels, der eine neue Studie von "Stop the Wall" über die israelischen Strategien, die palästinensische Kinder und deren Kindheit ins Visier nehmen, zusammenfasst.
Diese Woche beginnt in Palästina für die Kinder wieder die Schule. Einige werden ihre Schule in Trümmern vorfinden, und andere werden Schulkameraden vermissen, die sie noch vor wenigen Monaten hatten. Seit Anfang 2023 hat Israel mindestens 38 palästinensische Kinder getötet und fast 1000 verletzt, während 160 in israelischen Gefängnissen sitzen. Seit Januar 2000 sind 2280 palästinensische Kinder getötet worden.
Abgesehen von den schockierenden Zahlen und den schmerzlichen Geschichten, die hinter jedem einzelnen Fall stehen, gibt es ein offensichtliches Muster beim Abzielen auf palästinensische Kinder und deren Kindheit. Dies ist kein Nebeneffekt, sondern ein notwendiger Bestandteil des israelischen Siedlerkolonialismusprojekts und Apartheidregimes.
Das Streben nach nachhaltiger Unterdrückung
Siedlerkolonialismus ist per se ein langfristiges Projekt der territorialen Eroberung, bei dem die einheimische Bevölkerung durch eine Siedlerbevölkerung ersetzt wird. Damit diese Bemühungen von Dauer sind, ist es für den Kolonisator elementar, die einheimische Bevölkerung oder zumindest ihren Widerstand zu beseitigen.
Diese "Beseitigungslogik " ist ein zentrales Element für koloniale Siedlergesellschaften auf der ganzen Welt und umfasst die genozidale Beseitigung der Menschen, ihre Vertreibung aus dem Land sowie eine Fülle von Strategien zur Zerstörung, Fragmentierung und Schwächung der ursprünglichen Gesellschaft. Diese sollen sicherstellen, dass sich die nächste Generation nicht mehr gegen Enteignung und Unterdrückung wehrt und den Anspruch auf ihre Rechte aufgibt. Mit jeder Generation aufständischer Einheimischer wächst der Fokus der Kolonialmächte auf die Zerstörung und/oder Kontrolle von Bildung, Kindheit und Geburt.
Die Auferlegung eines Apartheidregimes ist ein Versuch, ein dauerhaftes koloniales Regime zu schaffen, indem die Einheimischen von bestimmten Räumen und Rechten ausgeschlossen werden.
Bereits die Entscheidungsträger des südafrikanischen Apartheidsystems hatten jedoch erkannt, dass eine solche Segregation rebellische - und nicht fügsame - zukünftige Generationen hervorbringt. Als 1976 bis zu zehntausend Studenten in Südafrika auf die Straße gingen, um zu protestieren, töteten die Apartheidkräfte zwischen 400 und 600 Studenten und begannen mit brutalen Repressionen gegen Kinder und Jugendliche. Zwischen 1984 und 1986 wurden schätzungsweise 11000 Kinder, manche erst neun Jahre alt, ohne Gerichtsverfahren in südafrikanischen Kerkern festgehalten, misshandelt und gefoltert.
Israels Versuch, die palästinensische Hoffnung zu töten
Zionistische Ideologen und Politiker haben schon immer gewusst, dass eine Strategie der Beseitigung notwendig war, um den Staat Israel auf palästinensischem Boden zu gründen.
Vor und kurz nach der Nakba im Jahr 1948 wurden 75-80 Prozent der palästinensischen Bevölkerung, die auf dem Boden lebte, auf dem Israel gegründet wurde, vertrieben, während Hunderte von Dörfern und Gemeinden ausgelöscht wurden. Manche dachten, dies sei Grund genug für die Palästinenser, auf ihre Rechte zu verzichten und das Land zu verlassen. David Ben-Gurion, Israels erster Premierminister und Führer der Arbeitspartei, vertrat die Theorie, dass die Zeit alles heilen und man alles vergessen werde.
Von Anfang an konzentrierte sich Israel darauf, die palästinensischen Flüchtlinge zu "beseitigen", einschließlich ihrer Fähigkeit, den Kampf für ihr Recht auf Rückkehr zu organisieren, und darauf, ihre Ansprüche zu delegitimieren und sie zu zerstreuen. Diese Bemühungen dauern an.
Doch eine Generation später musste Israels Premierministerin Golda Meir eine weitere grundlegende Herausforderung für Israels koloniale Siedlerpläne erkennen und wurde mit den Worten berühmt: "Wir können den Arabern verzeihen, dass sie unsere Kinder getötet haben. Nicht verzeihen können wir ihnen, dass sie uns zwingen, ihre Kinder zu töten".
Natürlich sind es nicht die Palästinenser, die das israelische Regime dazu zwingen, ihre Kinder zu töten. Doch solange Israel sein Siedlerkolonialprojekt und sein Apartheidregime fortsetzt, muss es weiterhin palästinensische Kinder und deren Kindheit ins Visier nehmen.
Ze'ev Zabotinsky, der Begründer der revisionistisch-zionistischen Bewegung, welche die ideologischen Wurzeln der gegenwärtigen rechten Regierung bildet, umriss diese koloniale Logik, als er 1923 schrieb: "Jede einheimische Bevölkerung in der Welt widersetzt sich Kolonisten, solange sie auch nur die geringste Hoffnung hat, sich von der Gefahr der Kolonisierung befreien zu können. Das ist es, was die arabische Bevölkerung in Palästina tut, und was sie weiterhin tun wird, solange es einen einzigen Funken Hoffnung gibt."
Die palästinensischen Kinder und Jugendlichen verkörpern diese Hoffnung. Sie sind das Herzstück des Kampfes für Gerechtigkeit.
Strategien der Beseitigung
In den 90er Jahren war die Zeit des Oslo-Prozesses ein Moment der israelischen Hoffnung, dass die Palästinenser "freiwillig" eine moderne Version der Apartheid akzeptieren würden. Eine Fülle von Normalisierungsprojekten, die darauf abzielten, fügsame Palästinenser zu schaffen, richtete sich insbesondere an Kinder und Jugendliche.
Diese Farce endete mit dem Ausbruch der Zweiten Intifada. Seitdem sind genozidale Äußerungen und Slogans von politischen Führern und Bewegungen, die die Tötung palästinensischer Kinder propagieren, alltäglich geworden. Israels ehemalige "Justiz"-Ministerin Ayelet Shaked postete niederträchtigerweise auf Facebook, dass palästinensische Mütter "gehen" sollten, ebenso wie "die Häuser, in denen sie die Schlangen aufgezogen haben". Andernfalls, so Shaked, "werden dort noch mehr kleine Schlangen aufgezogen". Während des Massakers in Gaza 2014 skandierten Menschenmengen in den Straßen von Tel Aviv: "Morgen gibt es keine Schule mehr, es gibt keine Kinder mehr dort [in Gaza]." Diese Argumentation teilt auch der derzeitige israelische Minister für Kulturerbe, der die jüngste brutale Bombardierung des Gazastreifens, bei der in der ersten Nacht zwei Familien und drei Kinder getötet wurden, mit den Worten kommentierte: "Wir sind Menschen, die keiner Fliege etwas zuleide tun, aber wenn die Fliege uns stört, muss die Fliege getötet werden und auch ihre Kinder, wenn sie sich hinter ihnen versteckt."
Es sollte nicht überraschen, dass israelische Soldaten T-Shirts mit schwangeren Palästinenserinnen T-Shirts mit schwangeren Palästinenserinnen im Fadenkreuz eines Gewehrs und der Bildlegende "1 Schuss, 2 Volltreffer" oder ein palästinensisches Kind im Fadenkreuz mit dem Untertext "je kleiner - desto härter" drucken und verteilen.
Während in der israelischen Gesellschaft nach wie vor Konsens darüber herrscht, dass die Palästinenser "beseitigt" werden müssen, hat sich in jüngster Zeit eine tiefe Kluft innerhalb der Gesellschaft aufgetan, die sich auf die Frage bezieht, wie dies geschehen soll.
Der "liberalere" Flügel der israelischen Politik, zu dem auch ein Berater mehrerer israelischer Regierungen, der Akademiker Arnon Sofer, gehört, behauptet, dass die einzige Möglichkeit, die "demografische Bedrohung" - d. h. palästinensische Geburtenraten und Bevölkerungswachstum - zu beseitigen, die "Trennung" ist, also die Abschottung der Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen hinter Israels Apartheidmauern. Die Trennungsmauer wurde von führenden Politikern der Arbeiterpartei wie Shimon Peres und Ehud Barak Shimon Peres und Ehud Barak ins Leben gerufen. Doch diese Art der "demografischen Planung" wurde von den rechten Zionisten stets abgelehnt, denn dies würde bedeuten, dass ein Teil des von Israel beanspruchten palästinensischen Landes aufgegeben wird, um die Palästinenser in die abgeschotteten Bantustans zu treiben.
Die rechtsextremen israelischen Politiker schlagen ungebremste, brutale Gewalt und Vertreibung vor. Auf der Grundlage von Zabotinskys Prinzipien stellt Israels Finanzminister und Minister im Verteidigungsministerium, Bezalel Smotrich, in seinem "Decisive Plan" [Entschlossener Plan] Wege vor, um "der arabischen Hoffnung auf die Verwirklichung nationaler Ambitionen im Land Israel ein Ende zu setzen". Der Plan sieht vor, dass nur eine Bevölkerung Hoffnung und eine Zukunft hat [die israelische]- der Rest wird extremer Brutalität ausgesetzt sein. Moshe Feiglin, ehemaliger stellvertretender Sprecher des israelischen Parlaments, schlug vor, alle Palästinenser aus dem Gazastreifen zu vertreiben und diejenigen, die nicht gehen wollen, zu bombardieren.
Während die Palästinenser weiterhin existieren und Widerstand leisten, wird Israel bei der Beseitigungsstrategie und den Angriffen auf palästinensische Kinder immer verzweifelter und gewalttätiger.
Es ist überfällig, dass wir uns ein klares Bild von diesem schrecklichen Aspekt der israelischen Politik machen und eine wirksame internationale Solidarität aufbauen, um diese zu beenden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.