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Ehemaliger Mossad-Chef sagt, Israel sei ein "Apartheidstaat"
Jonathan Ofir, Mondoweiss, 7. September 2023 | Aufgefallen 11.9.23
Quelle: Former Mossad chief says Israel is an ‘apartheid state’
Eine Feierstunde zu Ehren der Mossad-Mitarbeiter in der Residenz des Präsidenten in Jerusalem. Der ehemalige Mossad-Chef Tamir Pardo hält während der Zeremonie eine Rede. (Foto: Israel National Photo Collection)
Die Associated Press veröffentlichte am 6. September 2023 ein Interview mit dem ehemaligen israelischen Mossad-Chef Tamir Pardo, der sagte, dass Israel im Westjordanland ein Apartheidsystem praktiziert.
Die Enthüllung ist natürlich nichts Neues, da die Realität der Apartheid inzwischen von der internationalen Menschenrechtsgemeinschaft anerkannt wird. In der Tat ist die Eingränzung der Bezeichnung Apartheid nur auf das Westjordanland zu wenig - da selbst Organisationen wie Israels B'tselem die Apartheid mit Verspätung als "vom Jordan bis zum Mittelmeer" präsent bezeichnet haben. Neu an dem AP-Artikel ist jedoch, wer die Realität der Apartheid einräumt - ein Schwergewicht des israelischen Sicherheitsapparats.
Pardo nahm kein Blatt vor den Mund, um die Situation zu beschreiben. "Wir haben hier einen Apartheidstaat" sagte er. "In einem Gebiet, in dem zwei Menschen nach zwei Rechtssystemen beurteilt werden, ist das ein Apartheidstaat".
Eine steigende Zahl von Eingeständnissen
Pardo reiht sich in die Reihe von Eingeständnissen der Apartheid-Realität in Palästina, die seit Anfang des Jahres ansteigt. Im Februar warnte der erfahrene Journalist und Militärkorrespondent Ron Ben Yishai vor den Apartheidabsichten der Regierung, insbesondere ihres Finanzministers und De-facto-Gouverneurs des Westjordanlandes, Bezalel Smotrich. Letzten Monat sagte der pensionierte General Amiram Levin (der auch stellvertretender Chef des Mossad war) in einem Interview im Kan-Radio, dass es dort nach "56 Jahren keine Demokratie gibt... Es herrscht dort totale Apartheid."
Es sind die "Liberalen", die eingestehen, was vor Ort geschieht. Aber auch die erklärten Faschisten wie der Minister für Nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir haben ungewollt die Anerkennung der Apartheid vorangetrieben, indem sie sie de facto als solche beschrieben - Ben-Gvir sagte das vor zwei Wochen in einer Fernsehsendung von Channel 12.
"Mein Recht, das Recht meiner Frau und das Recht meiner Kinder, sich auf den Straßen von Judäa und Samaria [Westjordanland] frei zu bewegen, ist wichtiger als das der Araber", sagte er, wandte sich an den einzigen palästinensischen Podiumsteilnehmer in der Sendung, Muhammad Magadli, und fügte hinzu: "Tut mir leid, Muhammad, aber das ist die Realität".
Das war noch nicht alles. Einige Tage später verglich Ben-Gvirs politischer Verbündeter aus dem religiösen Zionismus, der Minister für das Kulturerbe Amichai Eliyahu, den Zustand der Palästinenser mit dem eines Gefängnisses - nur dass er das nicht für falsch hielt.
"Wenn jemand mein Recht auf Leben bedroht, schränke ich seine Bürgerrechte ein wenig ein und erlaube der normativen Person, weiterzuleben", hatte er in einem Interview mit Ynet gesagt und bestritten, dass Palästinenser unter Apartheid leben, weil sie stattdessen in einem "Gefängnis" leben.
Liberale zionistische Wahnvorstellungen
In diesem Sinne befindet sich Pardo mit seinem kürzlich erfolgten Eingeständnis in guter Gesellschaft, aber wir sollten ihm besondere Aufmerksamkeit schenken, weil sein Schwerpunkt auf dem Westjordanland liegt, obwohl er den englischen Begriff "Apartheid state" scheinbar umfassend verwendet. "State" kann neben "Staat" auch "Status" bedeuten, und hier bezieht er sich auf das Westjordanland in Amiram Levins Sinn.
Die Wahrnehmung, dass es "dort" (im Westjordanland) Apartheid gibt, während "das eigentliche Israel " von der Apartheid verschont bleibt, ist Teil dessen, was Nathan Thrall als "Separate Regimes Delusion" bezeichnet hat - die Vorstellung, dass es zwei getrennte Regime gibt, ein ziviles und ein militärisches, und dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis es nur noch ein [ziviles] Regime gibt und die Besatzung aufhört zu existieren. Der Kern dieser Fantasie ist der Glaube, dass die liberale israelische Demokratie existiert und gerettet werden kann.
Pardo glaubt offensichtlich an diese Illusion; er ist zu einem der schärfsten Kritiker der Gesetzesrevision geworden, wie auch viele andere aus der militärisch-geheimdienstlichen Elite. Gegenüber AP erklärt er, dass er als Mossad-Chef unter Netanjahu darauf gedrängt habe, die Grenzen Israels klar zu definieren, da sonst "die Zerstörung eines Staates für die Juden" drohe. Sein Ziel ist es offensichtlich, den "jüdischen und demokratischen" Charakter des Staates zu erhalten. Diese Ansicht beruht in der Regel auf der existenziellen Angst, dass die Palästinenser zu einer demografischen Mehrheit werden und damit die "jüdische Reinheit" des Staates bedrohen könnten. Sie deckt sich mit Kampagnen wie "Scheidet euch von den Palästinensern", die vor einigen Jahren von den "Commanders for Israel's Security" ins Leben gerufen wurde.Die Verwendung des Begriffs Apartheid scheint also als eine Art rhetorische Warnung zu dienen - nicht vor dem Verlust der jüdischen Demokratie, sondern vor dem Verlust der jüdischen Reinheit. Darum geht es dem liberalen Zionismus..
Netanjahus Likud-Partei verfasste eine wütende Antwort auf Pardos Verwendung der Bezeichnung "Apartheid", auch wenn sie als Warnung vor dem, was eintreten könnte, gedacht war. "Anstatt Israel und das israelische Militär zu verteidigen, verleumdet Pardo Israel", hieß es in der Antwort. "Pardo, Sie sollten sich schämen".
Aber vielleicht sollte der Likud seinen politischen Verbündeten tadeln, dessen Tirade, die mit "Tut mir leid, Muhammad" endete, unbeabsichtigt weit mehr zur Förderung des Bewusstseins für die Apartheid beigetragen hat als Pardos Aussagen.
H/t Ofer Neiman