KerryZur Rede John Kerrys über Nahostfrieden

In seiner Rede vom 28. Dezember 2016 begründet US-Aussenminister John Kerry den Verzicht der USA auf das Veto gegen die Resolution des Sicherheitsrates 2334 vom 23. Dezember ausführlich damit, dass die Zweistaatenlösung in Gefahr sei. Die Rede bekräftigt, dass aus der Sicht der abtretenden US-Administration Israel als jüdischer Staat nur in Form der Zweistaatenlösung bewahrt werden könne. In einer Einstaatenlösung könne Israel entweder jüdisch oder demokratisch sein, aber nicht beides.

Vor fast 70 Jahren habe die UN-Generalversammlung mit der Resolution 181 den Weg gebahnt, um den Staat Israel zu verwirklichen. Die Idee: ein Staat für die Juden, ein Staat für die Araber um die nationalen Ansprüche sowohl der Juden als auch der Palästinenser zu erfüllen. Dabei müssten sie aber „gegenseitig die vollen gleichen Rechte“ der jeweiligen Bürger anerkennen.

Neben der Situation der Palästinenser in den seit 1967 besetzten Gebieten spricht Kerry auch jene der nicht-jüdischen Bürger in Israel und der palästinensischen Flüchtlinge an. Israel praktiziert seit 1947/48 ethnische Säuberung und Apartheid: Es vertrieb 750‘000 Palästinenser, enteignete die ins Ausland und im Inland Vertriebenen, setzte 50 diskriminierende Gesetze gegen die heute 1,7 Millionen - davon rund ein Viertel intern Vertriebene - „arabischen“ (palästinensischen) Bürger in Kraft. Kerry spricht von „gleichen Rechten“, sagt aber nicht, was sie bedeuten würden: Das geraubte Eigentum zurückgeben, den Vertriebenen zu gestatten, in ihre Dörfer zurückzukehren, um sie wieder aufzubauen und schliesslich: allen Bürgern von Palästina die gleiche Rechte zu geben, egal was ihre Religion und Sprache ist.

Kerry zeigt plötzlich Mitgefühl mit den leidenden palästinensischen Flüchtlingen und will helfen, sie irgendwo unterzubringen – nur ja nicht in ihren Heimatorten, aus denen sie durch Israel vertrieben wurden. Davon, dass die USA am 11. Dezember 1948 – nur einen Tag nach der Zustimmung zur Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte – der Resolution 194 der UN-Generalversammlung und damit dem Rückkehrrecht der vertriebenen Palästinenser zugestimmt hatten, verliert Kerry in seiner Rede kein Wort. Ihr Recht auf Rückkehr dürfen sie nicht wahrnehmen, denn sie sind keine Juden: Die Lösung „darf den fundamentalen Charakter von Israel nicht beeinträchtigen“.

Mit der Teilungsresolution 181 der UN-Generalversammlung vom 29. November 1947– 56% des Landes für 600'000 nach Palästina eingewanderte Juden und 44% für die 1,2 Millionen in Palästina lebenden Araber – wurden die in der Satzung des Völkerbunds (Artikel 22) bereits 1919 im Grundsatz anerkannte Souveränität Palästinas und der Wille der Einwohner Palästinas übergangen – und damit gegen die UN-Charta verstossen. Kein Organ der UNO war je befugt, Staaten aufzuteilen oder neue zu gründen. Kein Gutachten beim Internationalen Gerichtshof zur Frage der Teilung wurde vorgängig eingeholt.

Kerry beschwört die Zweistaatenlösung mit einem entmilitarisierten palästinensischen Staat auf 22 Prozent der Fläche Palästinas neben einem hochgerüsteten Israel. Israel ist jedoch eine – von den USA und Europa gefütterte – Macht- und Gewaltstruktur, die keinen souveränen Staat neben sich duldet. Höchstens ein Bantustan, wie der von Clinton inszenierte Friedensprozess schon gezeigt hat, im Rahmen einer als „Frieden“ getarnten Apartheid.

Das Plädoyer von Kerry für die Zweistaatenlösung kommt jetzt am Ende der Amtszeit von Obama, dessen Administration seit Jahren durch Veto jede Resolution gegen die Besatzung blockiert hat. Kerry kommt zu spät: Acht Jahre lang haben die Demokraten (wie Kerry selbst in seiner Rede bemerkt) Israel unterstützt und gestärkt. Somit haben sie dazu beigetragen, dass die Situation der Palästinenser immer unerträglicher wird.

Das wird sich in den nächsten Jahren kaum verbessern: Was Trump bisher zu Palästina und Israel verlauten liess, verheisst für die Palästinenser nichts Gutes. Netanyahu wird sich auf Trump stützen, um die letzten demokratischen Rechte in Israel abzubauen und aus Israel – Gross-Israel – einen rein „jüdischen Staat“ zu machen. Der Apartheid-Charakter dieses Staates wird noch deutlicher werden. Möglicherweise wird Trump versuchen, die Zweistaatenlösung zu begraben und die Annexion von palästinensischen Territorien als vollendete Tatsache durchzusetzen. Das wird im Nahen Osten und darüber hinaus grosse Unruhe schaffen.